stefan

Die Braut von Korinth

Nach Korinthus von Athen gezogen
kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Einen Bürger hofft er sich gewogen;
beide Väter waren gastverwandt,
hatten frühe schon
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam voraus genannt.

Aber wird er auch willkommen scheinen,
wenn er teuer nicht die Gunst erkauft?
Er ist noch ein Heide mit den Seinen,
und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
wird oft Lieb und Treu
wie ein böses Unkraut ausgerauft.

Und schon lag das ganze Haus im Stillen,
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht;
sie empfängt den Gast mit bestem Willen,
gleich ins Prunkgemach wird er gebracht.
Wein und Essen prangt,
eh er es verlangt:
so versorgend wünscht sie gute Nacht.

Aber bei dem wohlbestellten Essen
wird die Lust der Speise nicht erregt:
Müdigkeit läßt Speis und Trank vergessen,
dass er angekleidet sich aufs Bette legt;
und er schlummert fast,
als ein seltner Gast
sich zur offnen Tür herein bewegt.

Denn er, sieht bei seiner Lampe Schimmer,
tritt, mit weißem Schleier und Gewand,
sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
um die Stirn ein schwarz‘ und goldnes Band.
Wie sie ihn erblickt,
hebt sie, die erschrickt,
mit Erstaunen eine weiße Hand.

Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,
dass ich von dem Gaste nichts vernahm!
Ach, so hält man mich in meiner Klause,
Und nun überfällt mich hier die Scham.
Ruhe nur so fort
auf dem Lager dort,
und ich gehe schnell, so wie ich kam.

Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,
rafft von seinem Lager sich geschwind:
hier ist Ceres‘, hier ist Bacchus‘ Gabe,
und du bringst den Amor, liebes Kind!
Bist vor Schrecken blaß!
Liebe, komm und laß,
laß uns sehn, wie froh die Götter sind.

Ferne bleib, o Jüngling! bleibe stehen;
ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen,
durch der guten Mutter kranken Wahn,
die genesend schwur,
Jugend und Natur
sei dem Himmel künftig untertan.

Und der alten Götter bunt Gewimmel
hat sogleich das stille Haus geleert;
unsichtbar wird einer nur im Himmel
und ein Heiland wird am Kreuz verehrt.
Opfer fallen hier,
weder Lamm noch Stier,
aber Menschenopfer unerhört.

Und er fragt und wäget alle Worte,
deren keines seinem Geist entgeht.
Ist es möglich, dass am stillen Orte
die geliebte Braut hier vor mir steht?
Sei die meine nur!
Unsrer Väter Schwur
hat vom Himmel Segen uns erfleht.

Mich erhälst du nicht, du gute Seele!
Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
ach! in ihren Armen denk an mich,
die an dich nur denkt,
die sich liebend kränkt;
in die Erde bald verbirgt sie sich.

Nein! bei dieser Flamme sei’s geschworen,
gütig weist sie Hymen uns voraus;
bist der Freude nicht und mir verloren,
kommst mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen, bleibe hier!
Feire gleich mit mir
unerwartet unsern Hochzeitsschmaus.

Und schon wechseln sie der Treue Zeichen;
golden reicht sie ihm die Kette dar,
und er will ihr eine Schale reichen,
silbern, künstlich, wie nicht eine war.
Die ist nicht für mich;
doch ich bitte dich,
eine Locke gib von deinem Haar.

Eben schlug die dumpfe Geisterstunde,
und nun schien es ihr erst wohl zu sein,
gierig schlürfte sich mit blassem Munde
nun den dunkel blutgefärbten Wein;
doch vom Weizenbrot,
das er freundlich bot,
nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.

Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
der wie sie nun hastig lüsternd trank.
Liebe fordert er beim stillen Mahle;
ach, sein armes Herz war liebekrank.
Doch sie widersteht,
wie er immer fleht,
bis er weinend auf das Bette sank.

Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder.
Ach, wie ungern seh ich dich gequält,
aber ach, berührst du meine Glieder,
fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt:
Wie der Schnee so weiß,
aber kalt wie Eis,
ist das Liebchen, dass du dir erwählt.

Heftig faßt er sie mit starken Armen,
von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Hoffe doch, bei mir noch zu erwarmen,
wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und Kuß!
Liebesüberfluß!
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?

Liebe schließet fester sie zusammen,
Tränen mischen sich in ihre Lust;
gierig saugt sie seines Mundes Flammen,
eins ist nur im andern sich bewußt.
Seine Liebeswut
wärmt ihr starres Blut,
doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.

Unterdessen schleichet auf dem Gange
häuslich spät die Mutter noch vorbei,
horchet an der Tür und horchet lange,
welch ein sonderbarer Ton es sei:
Klag- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut
und des Liebestammelns Raserei.

Unbeweglich bleibt sie an der Türe,
weil sie erst sich überzeugen muß,
und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb- und Schmeichelworte mit Verdruß:
Still! der Hahn erwacht! –
aber morgen Nacht
bist du wieder da? – und Kuß auf Kuß.

Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,
öffnet das bekannte Schloß geschwind:
Gibt es hier im Hause solche Dirnen,
die dem Fremden gleich zu Willen sind?
So zur Tür herein.
Bei der Lampe Schein
sieht sie – Gott! sie sieht ihr eigen Kind.

Und der Jüngling will im ersten Schrecken
mit des Mädchens eignem Schleierflor,
mit dem Teppich die Geliebte decken;
doch sie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geists Gewalt,
hebt sich die Gestalt
lang und langsam sich im Bett empor.

Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,
so mißgönnt Ihr mir die schöne Nacht,
ihr vertriebt mich von dem warmen Orte!
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ist’s Euch nicht genug,
dass ins Leichentuch,
dass Ihr früh mich in das Grab gebracht?

Aber aus der schwerbedeckten Enge
treibet mich ein eigenes Gericht.
Eurer Priester summende Gesänge
und ihr Segen haben kein Gewicht;
Salz und Wasser kühlt
nicht, wo Jugend fühlt,
Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht!

Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
als noch Venus‘ heitrer Tempel stand.
Mutter, habt ihr doch das Wort gebrochen,
weil ein fremd, ein falsch Gelübd Euch band!
Doch kein Gott erhört,
wenn die Mutter schwört,
zu versagen ihrer Tochter Hand.

Aus dem Grabe werd ich ausgetrieben,
noch zu suchen das vermißte Gut
und den schon verlornen Mann zu lieben
und zu saugen seines Herzens Blut.
Ist’s um den geschehn
muß nach andern gehn,
und das junge Volk erliegt der Wut.

Schöner Jüngling, kannst nicht länger leben;
du versiechest nun an diesem Ort.
Meine Kette hab ich dir gegeben;
deine Locke nehm ich mit mir fort.
Sieh sie an genau!
Morgen bist du grau,
und nur braun erscheinst du wieder dort.

Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:
Einen Scheiterhaufen schichte du;
Öffne meine bange, kleine Hütte,
bring in Flammen Liebende zur Ruh!
Wenn der Funke sprüht,
wenn die Asche glüht,
eilen wir den alten Göttern zu.

Johann Wolfgang von Goethe

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Der Handschuh

Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.
Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der zweite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt,
Und sieht sich stumm
Rings um
Mit langem Gähnen
Und schüttelt die Mähnen
Und streckt die Glieder
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder. –
Da öffnet sich behend
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor.
Wie er den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu,
Grimmig schnurrend;
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder. –
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus.
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier;
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen.
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf, da wird’s still;
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern sich die gräulichen Katzen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handtuch von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leu’n
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges, spottender Weis‘,
Wendet sich Fräulein Kunigunde:
„Herr Ritter, ist eure Liebe so heiß,
Wie ihr mir’s schwört zu jeder Stunde,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf!“

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbar’n Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde.
Aber mit zärtlichem Liebesblick –
Er verheißt ihm sein nahes Glück –
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh in’s Gesicht.
„Den Dank, Dame, begehr‘ ich nicht!“
Und verlässt sie zur selben Stunde.

Friedrich von Schiller

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John Maynard

John Maynard!

„Wer ist John Maynard?“

„John Maynard war unser Steuermann,
Aushielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“


Die „Schwalbe“ fliegt über den Eriesee,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
„Noch dreißig Minuten … Halbe Stund.“

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
Da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
„Feuer!“ war es, was da klang,
Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, buntgemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich’s dicht,
Und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? Wo?“
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. –

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
„Noch da, John Maynard?“
„Ja, Herr. Ich bin.“
„Auf den Strand! In die Brandung!“
„Ich halte drauf hin.“
Und das Schiffvolk jubelt: „Halt aus! Hallo!“
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. –

„Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt’s
Mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt’s!“
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!


Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt.


Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
Himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Aug im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

„Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard!“

Theodor Fontane

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Old Japanese Photographies from University Nagasaki

Altes Japan in Fotografien

Die Universität von Nagasaki hat über 7000 Fotos zwischen 1853 und 1912 veröffentlicht. Die Bilder umfassen die von 1853 – 1868 dauernde Bakimatsu Periode und die Meiji Periode 1868 – 1912.

Vorsicht beim Copyright der Fotos, die Universität Nagasaki behält sich alle Rechte an den Bildern vor. Darum gibt es hier auch keine Einblicke in die Fotos die mich erstaunten.

Quelle: Japanese Old Photographs In Bakumatsu Meiji Period

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Russische Futuristen

Russische Futuristen des letzten Jahrhundertanfangs

Vor dem 1. Weltkrieg gab es in Russland einen äußerst produktive und kreative Gemeinschaft die sich mit allen möglichen Formen des „Morgen“ beschäftigte. Und das in vielen Ausdrucksformen.

Über 100 Werke, darunter hauptsächlich Text- und Gedichtbände und einige visuelle Arbeiten die in Buchform verfasst worden sind, lassen sich auf der staatlichen öffentlich-historischen Bibliothek Russlands in hoher Auflösung ansehen.

Detailansicht online

Neben dieser Sammlung bietet die Bibliothek eine große Anzahl an weiteren Sammlungen und Büchern online!

Mehr: http://elib.shpl.ru/ru/indexes/values/10040

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